Das Startup-Team von SIUT, TU Berlin

In den Laboren der TU Berlin produziert das Startup SIUT präzise Betonfertigteile in den unterschiedlichsten Formen. Wasserunempfindlich und robust. Auf der glatten Oberfläche leuchten unzählige Lichtpunkte. „Lichtfaserbeton“ heißt das neue Produkt, das die drei Gründer inzwischen zum Patent angemeldet haben.

Wie funktioniert Lichtfaserbeton?

Im Innern der fast porenfreien Betonfertigteile sind Lichtleiterfasern (Glasfasern) verteilt. An der Stelle, wo die Fasern gebündelt sind, wird durch eine handelsübliche Leuchtdiode (LED) in das Faserbündel hineingestrahlt. Die Glasfasern leiten die LED-Lichtimpulse an die Betonoberfläche. Dort strahlen die Lichtpunkte aus dem Beton heraus.

Treppe aus Lichtfaserbeton

Treppe aus Lichtfaserbeton (Visualisierung)

Da SIUT in der Lage ist, die Endpunkte der Glasfasern sehr präzise anzuordnen, kann ihr Lichtfaserbeton Symbole, Muster oder Piktogramme anzeigen. Durch An- und Ausschalten und die Kombination verschiedener Glasfaserbündel sind unterschiedlichste Effekte möglich (einfaches Beispiel: Pfeil nach links / Pfeil nach rechts).

Wie genau die Lichtfasern im Inneren des Betonfertigteilelements verlegt sind, um exakt das gewünschte Muster oder Symbol auf die Oberfläche zu zaubern, verraten die drei Gründer allerdings nicht. „Das ist genau die Sache, die im Patent steht. Das ist noch unter Verschluss“ sagt Benjamin Westerheide. Bis zur Veröffentlichung müssen wir uns also noch etwas gedulden.

Für Lichtfaserbeton sind sehr unterschiedliche Einsatzszenarien möglich, von dekorativen (leuchtenden) Wänden oder Böden bis hin zu Leitsystemen im Außenbereich, z. B. im öffentlichen Nahverkehr oder auf Bahnsteigen der Deutschen Bahn.

Durch die geringe Wassereindringtiefe und werksseitig hydrophobierte Oberfläche ist Lichtfaserbeton unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit.

Mit Hilfe von Glasfaser-Bewehrungen können die Gründer auch plattenartige und dünnwandige Betonbauteile herstellen – etwa Wandelemente oder Kleinmöbel wie Tische, Regale, Waschbecken, Duschtassen und Fliesen.

Die Fasern leiten das Licht verlustfrei durch den Beton, auch über weite Strecken. Theoretisch könnten also Objekte von beliebiger Größe entstehen. „Die Maße der Elemente sind eigentlich nur durch den Transport eingeschränkt“ erklärt Westerheide. Also dadurch, bis zu welchen Dimensionen ein LKW die Betonfertigteile transportieren kann.

Lichtfaserbeton-Demo per Smartphone

Auch die Darstellung von Farben ist möglich

Auf der Oberfläche der Bauteile geben die Lichtfaser exakt die Farbe der LEDs wieder, die in das Bauteil hineinleuchten. Das macht den Einsatz von mehrfarbigen RGB-LEDs interessant: Wechselt die LED-Farbe z. B. auf Rot, leuchten die Lichtpunkte auf der Oberfläche ebenfalls rot.

Beim Beton selbst reicht die Farbpalette bisher von weiß über grau bis hin zu unterschiedlichen Anthrazittönen, weitere Farbnuancen sind in der Entwicklung. Die unterschiedlichen Farbtöne werden allerdings nicht durch blosse Zugabe von Farbpigmenten erreicht, sondern durch individuell abgestimmte Rezepturen, also durch die Mischung unterschiedlicher Zementsorten und Zuschläge.

Leuchtet von innen: Lichtfaserbeton

Leuchtet von innen: Lichtfaserbeton

Von der Idee zum Gründerstipendium

Schon während ihres Studiums haben sich Vincent Genz und Benjamin Westerheide mit Beton und Architektur beschäftigt. Obwohl das für angehende Wirtschaftsingenieure eigentlich eher ungewöhnlich ist. Seit 2012 experimentieren sie mit dem Baustoff. Dann kam den beiden die Idee, aus Hochleistungsbeton und Glasfasern Fertigteile herzustellen, auf deren Oberfläche die Lichtpunkte flächendeckende Muster oder einzelne Symbole bilden: Lichtfaserbeton.

Glasfasern + Beton

Glasfasern + Beton

Anfang 2014 war die Beton-Rezeptur dann soweit ausgereift, dass die zukünftigen Unternehmensgründer sie einem Fachmann vorstellen wollten. Sie wandten sich an Bernd Hillemeier, Professor für Baustoffe und Baustoffprüfung an der TU Berlin.

Der war „hochgradig begeistert“, wie sich Vincent Genz erinnert. Dank Hillemeier konnten die beiden ab sofort in den Laboren der Technischen Universität weiter an ihrer Rezeptur und der Verbindung zwischen Beton und lichtleitenden Glasfasern arbeiten. Auch ein Doktorand aus dem Fachbereich Bauingenieurwesen, der spätere Mitgründer Mohamed Abd Elrahman, wurde ihnen durch die Vermittlung von Hillemeier an die Seite gestellt. Durch das neue Team-Mitglied war nun auch fundiertes Fachwissen aus dem Bereich der Betontechnologie mit an Bord. „Um die Betonrezeptur auf den Punkt zu bringen, hätten wir allein 5 oder 6 Jahre gebraucht, da musste ein Experte her.“ sagt Genz rückblickend.

Im Sommer 2014 stellte sich das Dreier-Team beim „Center for Entrepreneurship“ vor. Diese Einrichtung der TU Berlin – ein sogenannter „Inkubator“ – unterstützt Studierende bei der Unternehmensgründung und beim Ausarbeiten und Verfeinern ihrer Geschäftsideen. Eigentlich wollten die drei sich nur kurz beraten lassen. Aber schnell wurde klar, dass eine Unternehmensgründung und die Weiterentwicklung des Produkts nur mit finanzieller Hilfe Sinn machen würde. Mit Hilfe der TU-Experten bewarben sich die drei für ein Exist-Gründerstipendium, das Ende 2014 bewilligt wurde und seit April 2015 für 12 Monate läuft.

In dieser Zeit können die Gründer nicht nur die Räumlichkeiten und Infrastruktur der Hochschule weiter nutzen. „Wir haben auch die finanziellen Mittel, um uns ein Team aufzubauen“ sagt Westerheide. „Damit können wir die Produktentwicklung und die Prototypenentwicklung professionell voranbringen“.

Parallel zur aufwändigen Stipendiums-Bewerbung haben Genz, Westerheide und Elrahman ihre Lichtfaserbeton-Idee zum Patent angemeldet. Die aufwändige und zeitintensive Patentanmeldung haben die Gründer aus eigener Tasche finanziert. „Das war mutig, denn wir wussten ja nicht, wohin die Reise geht“ erinnert sich Westerheide an diesen Schritt. Doch es hat sich gelohnt, denn allein die Tatsache, dass die Produktidee zum Patent angemeldet wurde, hilft bei Gesprächen mit Interessenten und potentielle Kunden.

Die ersten realisierten Lichtfaserbeton-Projekte

Im Büro von SIUT an der TU Berlin hängt bereits ein funktionsfähiges Waschbecken aus Lichtfaserbeton an der Wand. Das Waschbecken gehört auch zu den Objekten, die die Gründer auch Interessenten vorführen, z. B. auf Messen. Zur Zeit planen die Gründer von SIUT verschiedene Messeauftritte, um ihr Produkt bekannter zu machen. Sie werden es auf den Startup-Flächen der Gemeinschaftsstände der TU Berlin bei der bautec in Berlin (Februar 2016) und auf der Hannover Messe im April 2016 präsentieren.

Einer der ersten „Pilot-Kunden“ war die Firma Opterra. Für den Zementhersteller, mit deren Baustoffen auch die ersten Prototypen entstanden sind, hat SIUT mehrere, 200 kg schwere Logo-Platten mit integriertem Firmenlogo aus Lichtfaserbeton realisiert. „Mit diesen ersten Projekten haben wir bewiesen, dass wir in der Lage sind, funktionsfähige Produkte herzustellen, und dass unsere Infrastruktur und die Logistik funktioniert. Das war unser Proof of Concept“ sagt Vincent Genz.

Weitere Informationen: siut.eu

P. S.: Anfang Januar 2016 gewann das Team den Startup-Award der TU Berlin und der Berliner Volksbank.

 

Fotos: InformationsZentrum Beton, SIUT