Statt Klärschlamm duften hier nun Blumen und Gräser. Radfahrer machen Pause, Kinder springen johlend über kleine Fontänen. Auf der Emscherinsel zwischen Bottrop, Essen und Oberhausen wurde 2010 ein Klärwerk in den „Bernepark“ verwandelt. Oberhalb des ehemaligen Vorklärbeckens übernachten Studenten, Wanderer und Radfahrer. Hier liegen die fünf Betonröhren des „parkhotel emscherpark“.
Shehrazade Mahassini, Architekturstudentin aus Köln, hat für Beton/Campus das ungewöhnliche „Hotel“ besucht.
Übernachten in einem ehemaligen Klärwerk mitten im Ruhrgebiet klingt sehr ungewöhnlich. Wie waren Deine ersten Eindrücke von diesem „Hotel“?
Die ganze Anlage macht einen fröhlichen, verspielten Eindruck. Wie eine kleine Oase, zwischen Einfamilienhäusern, Eisenbahnbrücken, Schnellstraßen und Brachflächen. Die fünf Betonröhren zum Übernachten liegen etwas erhöht am Rand des westlichen Klärbeckens. Von hier hat man einen guten Überblick über das Parkgelände. Draußen rauschen die Züge und die Autos, das Wasser plätschert, aber in den Betonröhren ist es ruhig. Wenn die Tür offen steht, geht der Blick ins Grüne.
Die beiden Klärbecken sind umgebaut: das östliche ist ein Wasserbecken, das westliche Klärbecken ist begehbar als eine Art Landschaftslabyrinth, terrassenförmig und zum Teil mit hohen Gräsern bepflanzt. Besonders gut fand ich die beiden schmalen Metallbrücken, die jeweils über die Becken gelegt sind. Durch sie entsteht eine ungewöhnliche Situation. Und sie erinnern an die frühere Funktion der beiden Klärbecken.
Du warst sicher nicht der einzige Gast im Bernepark. Wer nutzt denn die Betonröhren zum Übernachten?
Ich habe ganz unterschiedliche Leute getroffen: Eine Frau aus Kassel, ca. 45 Jahre alt, sie macht eine Wanderung durchs Ruhrgebiet. Dann vier Architektur-Studenten aus Aachen. Außerdem noch ein Ehepaar, ich glaube aus Süddeutschland auf Fahrradtour, ca. 40 Jahre alt. Die Atmosphäre ist familiär und entspannt, die Leute kommen schnell miteinander ins Gespräch.
Wie sind die Röhren ausgestattet? Der Name „Parkhotel“ klingt ja erstmal ziemlich luxuriös.
Naja, luxuriös ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Die Einrichtung der Röhren ist eher einfach und schlicht. Die ehemaligen Kanalrohre sind so hoch, dass man gut aufrecht stehen kann. Das breite Doppelbett nimmt fast den gesamten Raum ein. Die Türen sind so groß wie die Röhren und öffnen sich nach aussen. Das hat Vor- und Nachteile: Bei geöffneter Tür kann man das Innere der Röhre komplett von aussen sehen, aber auch gut rausschauen.
Alle Gäste, die ich gesehen habe, kamen mit einem Rucksack. In der Röhre legt man den quer vor das Bett. Es gibt keine Regale, dafür eine Ablagefläche neben dem Doppelbett und eine Lampe. Eine Steckdose gibt es auch. Zwar liegen in jeder Röhre Decken, Kissen und Leinenschlafsäcke, aber die meisten Übernachtungsgäste haben einen eigenen Schlafsack dabei.
Was machen die Leute am Abend?
Abends wird die Atomsphäre im Park viel ruhiger, es fahren weniger Züge, man hört das Plätschern des Wassers im östlichen ehemaligen Klärbecken deutlicher. Von den Becken der alten Kläranlage aus gesehen ergeben die Betonröhren eine schöne Licht-Komposition: In den geöffneten Röhren brennt ein warmes Licht, man kann hineinschauen. Die Leute sitzen in den Röhren oder davor: Die Radwanderer beim Rotwein, in der Nähe die vier Studenten, die sich einen Bierkasten mitgebracht hatten. Bald kamen die beiden Grüppchen ins Gespräch und verbrachten den Abend gemeinsam.
Wie fühlt es sich an, wenn man nachts die große runde Tür schließt?
Das ist ein ungewöhnliches, aber angenehmes Gefühl, auch wegen der runden, dicken Wände. Einerseits wie beim Camping, aber wegen der massiven Betonröhre auch wieder ganz anders. In jeder Röhre gibt es oben ein Bullauge. Hier kommt morgens das erste Tageslicht hinein.
Belüftet werden die Röhren über eine kleine runde Öffnung auf der Rückseite. Richtig lüften kann man aber nur, wenn man die große Tür öffnet.
Wo sind die Sanitäranlagen untergebracht?
Duschen und Toiletten für die Übernachtungsgäste gibt es in einem Standard-Container. Er steht etwas abseits. Nicht soo schön, aber funktional. Das ganze hat mich an frühere Campingplatz-Urlaube erinnert.
Gibt es auf dem Gelände eigentlich etwas zu essen? Beton allein macht ja noch nicht satt.
(Grinst) Stimmt. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Ab Mittag hat das Park-Restaurant geöffnet. Es ist im ehemaligen Maschinenhaus der Kläranlage untergebracht. Dort kann man sehr gut essen, allerdings zu eher gehobenen Preisen, jedenfalls für studentische Verhältnisse. Das Restaurant gehört nicht zum „Parkhotel“, sondern wird von einer gemeinnützigen Gesellschaft betrieben. Am Vormittag ist noch relativ wenig los, aber gegen Mittag kommen einige Leute zum Essen, und abends wurde es dann richtig voll. Das Publikum ist bunt gemischt: Familien, Studenten, aber auch ältere Leute.
Zum Frühstück müssen die Gäste flexibel sein: Das Radfahrer-Paar ging ins angrenzende Wohngebiet und frühstückte dort beim Bäcker. Ansonsten gibt es noch einen Imbiss in der Nähe. Aber auch der Bottroper Hauptbahnhof mit verschiedenen Frühstücksmöglichkeiten ist nur 1,5 km entfernt.
OK, kommen wir zum praktischen Teil: Wo kann man die Röhren-Übernachtung reservieren und vor allem: Was kostet sie?
Es gibt keine Rezeption vor Ort, die Buchung der Übernachtungen läuft nur über das Internet (dasparkhotel.net/reservation): Man bekommt per E-Mail einen Code, der bei der Ankunft in das Zahlenschloss der gebuchten Röhre eingetippt wird. Fertig.
Zum Preis: Das Parkhotel ist kein normales, kommerziell betriebenes Hotel. Andreas Strauss, der Betreiber, nennt es ein „Gastfreundschaftsgerät“. Jeder zahlt für die Übernachtung so viel, wie er kann und möchte. Das Geld wird einfach in eine Art Spardose gesteckt, die sich in jeder Röhre befindet. Das System scheint zu funktionieren: Die Leute, die ich gefragt habe, haben zwischen fünf und 50 EUR für Ihre Röhrenübernachtung gezahlt.
Könntest Du dir auch ein Studentenwohnheim aus Betonröhren vorstellen?
(Lacht) Ja klar, warum nicht? Für die Sommermonate wäre das super. Wenn es kälter wird, ist so eine Röhre ohne Dämmung und Heizung wahrscheinlich etwas sehr gewöhnungsbedürftig. Man müsste also mal eine wintertaugliche Wohnröhre entwickeln.
Alle Fotos: Shehrazade Mahassini