Musée Jean Cocteau (Menton/F): Da der große Ausstellungsraum möglichst stützenfrei bleiben sollte, wurde die Decke mit Spannbeton realisiert.

Beton ist druckfest, die so genannte Bewehrung aus Stahl ist zugfest. Beide Materialien zusammen (also Stahlbeton) sind die Grundlage für leistungsfähige Bauteile aller Art – Stützen, Wände, Decken, Unterzüge. Spannbeton macht Stahlbeton noch leistungsfähiger: Mit zusätzlichen, vorgespannten Stahleinlagen wird der Beton „zusammengedrückt“ und dadurch widerstandsfähiger gegenüber Zug- und Biegekräften. Das Ergebnis: noch schlankere Bauteile und größere Stützweiten.

Ein Blick in die Baugeschichte

Die Idee, Beton durch das Vorspannen der Bewehrung zu verstärken, entstand bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Später untersuchte der französische Ingenieur Eugène Freyssinet das Kriechen und Schwinden von Beton sowie den Einsatz von hochfesten vorgespannten Drähten. Damit war die Grundlage für das erfolgreiche Vorspannen von Beton gegeben. Freyssinet errichtete um 1930 die ersten Spannbetonbauwerke. Der Ingenieur Franz Dischinger entwarf in dieser Zeit die erste Spannbetonbrücke in Deutschland: die Bahnhofsbrücke in Aue mit einer maximalen Spannweite von 69 Metern (Fertigstellung 1937). Bis heute ist der Brückenbau ein wichtiges Einsatzgebiet für Spannbeton. Aber auch in Bürogebäuden, Wohnhäusern, in Parkhäusern oder Shoppingcentern kommt Spannbeton zum Einsatz.

Spannbeton im Brückenbau: Herstellung der 55 m langen Hohlkästen auf der Saadiyat-Brücke in Abu Dhabi (VAE)

Das Prinzip der Vorspannung

Anders als beim herkömmlichen Stahlbeton sind die Stahleinlagen im Spannbeton – die so genannten „Spannglieder“ – planmäßig vorgespannt, genauer gesagt: gedehnt. Durch die direkte Verbindung mit dem Beton oder durch Befestigungsanker übertragen die gedehnten Spannglieder eine Druckbelastung auf den Beton. Diese Druckbelastung reduziert die Rissbildung des Betons unter Belastung (z. B. Durchbiegung durch Nutzlast bei sehr großen Brückentragweiten oder großen Veranstaltungsräumen). Dadurch ist ein Spannbeton-Bauteil steifer als ein vergleichbares Stahlbeton-Bauteil. Bei großen Stützweiten oder hohen Lasten treten also geringere Verformungen auf. Oder anders herum formuliert: Für die gleiche Belastung kann ein Spannbeton-Bauteil kleiner dimensioniert werden als ein herkömmliches Stahlbeton-Bauteil.

Vorspannen mit oder ohne Verbund

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Bauteil vorzuspannen. Bei der Vorspannung mit Verbund sind die Stahleinlagen (Spanndrähte und Spannlitzen) durch den so genannten Einpressmörtel, ebenfalls ein Zement gebundener Baustoff, kraftschlüssig mit dem Beton verbunden. Nach dem Betonieren und Erhärten wird die Vorspannung gelöst, die Spannkraft durch den Verbund in das Bauteil eingebracht. Diese Methode wird sowohl bei der Herstellung von Fertigteilen als auch von Ortbetonbauteilen angewendet.
Bei der Vorspannung ohne Verbund können sich die Spanndrähte zwischen den Ankerstellen zum Beton verschieben. Die Spanndrähte oder Kabel liegen nicht im Betonquerschnitt, sondern sind freispannend. Sie sind im Beton nicht mit Mörtel verbunden, sondern mit Fett und/oder einem Hüllrohr umhüllt. Dadurch kann bei Spannkraftverlusten nachgespannt werden.

Spannbeton-Fertigdecken

Eine Möglichkeit der Spannbetonanwendung ist der Einsatz in Form von Spannbeton-Fertigdecken: Anstatt die Bauteile auf der Baustelle zu bewehren bzw. vorzuspannen verwendet man vorgefertigte Deckenelemente aus Spannbeton. Die Fertigdecken werden im Werk nach Vorgaben des Planers in Dicken bis zu 40 cm und Breiten bis 120 cm gefertigt. Dabei werden die Elemente mit den erforderlichen Aussparungen für spätere Einbauten versehen.In den Decken können auch Leitungen für Installation, Lüftung und Kühlung (Stichwort: Betonkernaktivierung) integriert werden.

Spannbeton-Fertigdecken eignen sich für viele Gebäudetypen und werden sowohl im Wohnungbau oder Schulbau, als auch im Industrie- und Gewerbebau (Einzelhandelsflächen, Parkhäuser, Bürogebäude) eingesetzt.

Weitere Informationen zu Spannbeton-Fertigdecken gibt es beim Bundesverband Spannbeton-Fertigdecken oder auf beton.org

Fotos: PERI GmbH (Baustelle Saadiyat-Brücke), kriss69 (Musée Jean Cocteau)