Zwei gleichrangige Preisträger hat die Jury des Concrete Design Competition 2011/2012 für Deutschland ermittelt. Völlig verschiedene Herangehensweisen an das Thema wurden damit prämiert. Michael Albertshofer, Sebastian Awick und Steffen Winkler haben mit einem Projekt für den Ernst-Reuter-Platz in Berlin den städtebaulich-architektonischen Zugang zu dem Thema gewählt und waren damit erfolgreich. Wir sprachen mit Steffen Winkler, um etwas mehr zu erfahren, als auf zwei DIN A1-Tafeln zu sehen ist.
Ihr habt das Projekt im Team erarbeitet. Hat das gut funktioniert?
Wir arbeiten an der TU Berlin sehr oft in Teams – zu zweit oder dritt. Mit Michael Albertshofer habe ich jetzt schon öfter zusammengearbeitet; mit Sebastian Awick zum ersten Mal. Für uns hat sich das Arbeiten in Teams bewährt. Im späteren Beruf arbeitet man als Architekt ja auch ständig in Teams. Dadurch ist eine ganz andere Art von Kommunikation möglich und man kann ganz anders auf den Entwurf reagieren, als wenn man immer nur mit Freunden oder Professoren diskutieren muss. Im Team hat man auch unterschiedliche Meinungen, die man ausdiskutieren muss, um dann gemeinsam zu einer Lösung zu kommen.
Werden die Projekte dadurch besser?
Ich gehe davon aus. Natürlich hat man auch mehr „Manpower“ – das ist ja auch ein Aspekt: Innerhalb eines Semesters kann man zu dritt auch zu einem anderen Detaillierungsgrad kommen, einfach weil man mehr Arbeitskraft hat. Natürlich ist es wichtig, dass es innerhalb des Teams gut funktioniert. Man muss sich gut verstehen, aber auch aushalten, dass es gelegentlich unterschiedliche Meinungen gibt; diskutieren können und Lösungen finden. Bei uns war das sehr fruchtbar und hat sehr gut funktioniert.
Ihr habt ja in Berlin quasi vor der Haustür der TU geplant. Wie erlebt Ihr den Ort heute?
Ich sehe den Ernst-Reuter-Platz jeden Tag, wenn ich zur Uni gehe: eine riesige Brachfläche, die auf einer der dominantesten Achsen Berlins liegt. Der Platz ist total schwer zugänglich. Im Sommer könnte man sich ja auch an die Wasserfontänen legen und sich entspannen – ein paar Leute machen das auch, aber eben relativ wenig, da die Zugänglichkeit nicht gegeben ist. Der ständige Autoverkehr, der um den Platz fließt, macht ihn zu einem sehr unattraktiven Ort mitten in der Stadt; mitten im Campus Charlottenburg: eine Brachfläche, ein städtischer Leerraum. Diesen zu aktivieren und umzunutzen war das Ziel des Entwurfes.
Was ist Eure Vision für diesen Ort?
Der Campus Berlin-Charlottenburg ist mit der Technischen Universität und der Universität der Künste einer der größten Europas. Wenn wir den Ernst-Reuter-Platz als „Kopf“ des Campus aktivieren, dann wollen wir damit vor allem ein gemeinsames Ankommen schaffen: mit dem U-Bahnhof, mit den verschiedenen Bushaltestellen, die sich bisher auf das gesamte Gebiet verstreuen, mit dem Individualverkehr.
Bisher durchschneidet die Straße des 17. Juni den Campus völlig, so dass er in seiner Gänze kaum wahrnehmbar ist. Das wollen wir ändern. Wir wollen mit dem Entwurf einen gemeinsamen Ort für Studierende und Professoren, aber auch für Mitarbeiter, Touristen oder Nutzer aus den umliegenden Bürogebäuden schaffen. Einen Ort, an dem alle gemeinsam ankommen, um von dort aus in die jeweiligen Institute oder einzelnen Büros zu strömen – oder eben in die Universität zu gehen.
Es geht uns um einen Ort, der nicht nur Durchgangsort, sondern auch selbst Ziel ist. Daher die hybride Gebäudenutzung, um über verschiedene Funktionen auch Mehrwert und Aufenthaltsqualität zu schaffen. Da soll man auch mal einen Kaffee trinken können, oder kleine Geschäfte vorfinden. Der Platz soll der Stadt zurückgegeben werden. Die Nutzungsmischung geht bis hin zum Wohnen, welches wir in die oberste Gebäudeschicht gebracht haben. Der Ort soll auch am Wochenende oder nachts aktiv sein können.
Unsere Vision ist eine Art „Hub“ mitten in der Stadt, ein Drehkreuz. Aber eben auch ein Ort mit eigenem Charakter.
Es geht bei Euch viel um Bewegung, Veränderung und Verkehr. Wie seht Ihr denn das Verhältnis von Großstadt und Verkehr? Hat der Individualverkehr in Form des Autos eine Zukunft?
Wir haben uns natürlich auch damit beschäftigt, wie sich der Verkehr in den nächsten Jahren verändern könnte. Wir denken, dass der Individualverkehr aufgrund von Elektromobilität eher noch zunehmen wird. Die Menschen werden sehr viele verschiedene Verkehrsmöglichkeiten an einem Tag benutzen. Sie fahren mit dem Auto vielleicht an eine Park-and-Ride-Station, fahren mit der U-Bahn weiter, nehmen dann ein Fahrrad oder den Bus.
Inwiefern schreibt der Entwurf eine verkehrsgerechte Planung aus den 1960er Jahren fort, die ja heute oftmals auch ihre Kritiker hat?
Natürlich wurde der Platz für die autogerechte Stadt in den 1960er Jahren geplant. Diese Vision haben wir versucht zu transformieren und weiterzuentwickeln: in unsere Zeit und darüber hinaus.
Bisher ist es lediglich die Fahrbahn um den Platz, die die autogerechte Stadt bildet. Uns war es wichtig zu bündeln. Zunächst einmal Flächen, also vor allem auch die Flächen, die bisher von den parkenden Autos eingenommen werden. Und dann natürlich das Ankommen und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Verkehrsströmen. Das waren dann auch die Ansatzpunkte für den Entwurf, den wir entwickelt haben.
Wie muss man sich das „Bündeln“ vorstellen?
Das Parkhaus nimmt den Großteil des Gebäudes ein. Die U-Bahn kommt im Untergeschoss an. Es gibt einen Busbahnhof, Fahrradabstellmöglichkeiten etc. Es geht darum, dass wirklich alle Verkehrsteilnehmer, vom Fußgänger bis zum Auto- oder U-Bahnfahrer, gemeinsam auf dem Platz ankommen.
Wenn die Jury in ihrer Begründung schreibt, dass Ihr die „kinetische Energie des Ortes“ in einen Entwurf übersetzt habe, könnt Ihr damit etwas anfangen?
Für uns war das sehr interessant. Natürlich ging es uns unterbewusst genau darum. Der Ernst-Reuter-Platz hat für uns mit seinem gesamten Ensemble der umgebenden Bürogebäude durchaus auch einen gewissen Charme. Und so, wie er nun mal auf einer wichtigen Verkehrsachse der Stadt liegt, hat der Ort für Berlin eine immense Bedeutung.
Unser Gebäude gliedert sich dem ein, auch wenn es sich nun wirklich nicht unterordnet. Die Idee des Ortes – und da gibt es eine – wird weiterentwickelt. Das macht dann auch den Reiz des Ortes aus.
Im Sinne von Tipps für andere Studierende: Wie habt Ihr die Visualisierungen rein praktisch erstellt?
Alles ist 3D mit ArchiCad gebaut und dann im Cinema 4D gerendert. Gerendert haben wir ziemlich schnell und einfach – nur mit Schatten und etwas Sonneneinfall. Die Renderzeit soll nicht zu lange sein, da Zeit und Kapazität dann doch immer knapp sind. Dann ist alles in Photoshop nachbearbeitet worden, Texturen, Staffagen etc. Schließlich haben wir noch ein paar Sachen, die uns wichtig waren, gehighlightet.
Welche Rolle spielt Beton bei der Materialisierung Eures Entwurfs?
Das Gebäude versteht sich auch als Rückgrat. Wir haben verschiedene Nutzungen einkalkuliert, die in Zukunft dort entstehen könnten, so dass uns das Thema „Permanenz“ sehr wichtig war. An der Stelle wurde Beton dann für uns interessant. Mit Beton wird immer der Ewigkeitsanspruch assoziiert. Dazu kommt die Nähe von Beton zu Infrastrukturbauten, so dass er auch atmosphärisch gut passt.
Beton hat das Potential, dass er vielfältig formbar ist und dass seine Strukturen und Oberflächen veränderbar sind. Über die Nutzungsdauer kann er poliert werden, Markierungen können aufgebracht werden etc. All das kam unserem Konzept der Permanenz und der langen Nutzungsdauer des Gebäudes entgegen, so dass Beton der richtige Werkstoff für uns war.
Wie ist der Entwurf bei Euren Professoren bewertet worden?
Das Projekt wurde relativ positiv diskutiert, auch wenn es natürlich kein zurückhaltender Ansatz für den Ernst-Reuter-Platz ist. Das ist uns auch bewusst. Da wurde dann natürlich auch mit allen Vor- und Nachteilen diskutiert. Aber im Großen und Ganzen wurde der Entwurf ganz gut aufgenommen.
Wie sieht Eure Planung für den „Rest“ des Studiums aus?
Wir sind alle im Masterstudium im 2. Semester. Wir arbeiten zurzeit wieder an einem Wettbewerb, diesmal in der Schweiz. Es geht um einen Masterplan für eine Brachfläche in Bern. Das Gelände ist sehr von der Infrastruktur geprägt, natürlich in viel größerem Maßstab. Das ist dann schon eine Herausforderung – wir sind ja Architekturstudenten und keine Städteplaner. Aber es ist ganz interessant, wie sich Themen wiederholen, die uns auch schon bei dem Projekt für den Ernst-Reuter-Platz beschäftigt haben.
Dann viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch.
Mehr Informationen zum Wettbewerb und den Ergebnissen unter www.concretedesigncompetition.de