Prof. Christohper Tuan auf einer Testfläche aus De-icing Concrete

Prof. Christohper Tuan auf einer Testfläche aus De-icing Concrete

Wissenschaftler in den USA haben einen Beton entwickelt, der Schnee und Eis durch elektrisch erzeugte Wärme zum Schmelzen bringt. Professor Chris Tuan und sein Team mischen dem Beton Metallspäne und Kohlenstoffpartikel bei. Bei Bedarf wird Strom in die so hergestellten Spezialbeton-Flächen geleitet, der Beton erwärmt sich auf bis zu 10° C. Warm genug, um Schneeflocken in kürzester Zeit zu schmelzen und die Bildung von Glatteis zu verhindern.

Im Fußballstadion ist ein plötzlicher Wintereinbruch kein Problem mehr: Der Platzwart schaltet die Rasenheizung ein und die meist dünne Schneeschicht schmilzt in kurzer Zeit. Doch auf Straßen und Brücken können Schnee und Eis durchaus Probleme bereiten. Das Prinzip Fußbodenheizung (warmes Wasser durchströmt ein Bauteil) lässt sich leider nicht im Straßenbau anwenden. Es wäre viel zu teuer und aufwändig.

Dr. Christopher Tuan von der University of Nebraska beschäftigte sich schon vor der Jahrtausendwende mit der Frage, wie man Straßen, Brücken und Wege Schnee- und Eisfrei halten könnte. Im Mittleren Westen der USA, wo Tuan und sein Team forschen, sind intensive Winterstürme keine Seltenheit. Binnen Stunden können sie 30 cm Schnee bringen. Die Folge: Endlose Staus, Auffahrunfälle und Zusammenstöße. Auf den Flughäfen des Landes kommt es zu Verspätungen, viele Verbindungen werden gleich ganz gestrichen.

Die Testfläche aus beheizbarem Beton nach intensivem Schneefall

Die Testfläche aus beheizbarem Beton nach intensivem Schneefall

Der Lösungsansatz der Forscher aus Lincoln ist verblüffend einfach: Statt wie bei einer Rasenheizung ein wärmendes Medium durch den Boden zu führen, erwärmen Prof. Tuan und sein Team das Bauteil selbst. Dies geschieht mit Hilfe von herkömmlichem Beton, dem ca. 20 % Edelstahlspäne und Kohlenstoffpartikel beigemischt werden. Mit der metallhaltigen Mischung werden dann in den üblichen Schalverfahren Betonbauteile hergestellt.

Damit der Beton warm wird, muss Strom fließen. Jedes Bauteil erhält daher einen Anschluss aus Metall, der den Strom in das Material bringt. Bei ihren ersten Versuchen nutzte das Forscherteam dazu haushaltsübliche Stromkabel und -Stecker und leitete damit die in den USA üblichen 110 V Gleichstrom in das Bauteil. Ergebnis: It works!

Zeitraffer-Video: Die Testfläche aus De-icing Concrete auf dem Campus

Eisfreie Brücken ohne Auftausalz und Chemie

Im größeren Maßstab konnte Prof. Tuan die Funktionsweise des „De-Icing Concrete“ an einer Straßenbrücke in der Nähe der Stadt Lincoln unter Beweis stellen. Seit 2002 sorgen 52 in die Fahrbahn eingelassene Betonbauteile mit Stromanschluss dafür, dass die Brücke im Winter eisfrei bleibt. Per Knopfdruck kann im Falle eines Wintereinbruchs der leitende Beton „eingeschaltet“ werden – auch aus der Ferne. Eine Kontrolleinheit sorgt dafür, dass die Temperatur in den Bauteilen konstant im Bereich zwischen 1,5 und 10° Celsius bleibt. Warm genug, um Schnee und Eis zu schmelzen, aber auch nicht zu heiß, denn sonst könnten Reifen oder die Gummisohlen der Fußgänger weich werden.

Video: Dr. Christopher Tuan: Conductive Concrete, 10/2012

 

„Um die Brücke eisfrei zu halten, ist in etwa der Strom von 23 Haarföns erforderlich“ überschlägt Tuan den Stromverbrauch der ca. 50 Meter langen Roca Spur Bridge während eines Wintersturms. Das sei deutlich günstiger, als die übliche Methode: Das großzügige Verstreuen von Auftausalz und Chemikalien.

A propos Kosten: Aufgrund der hohen Materialbeimischung wäre es nicht wirtschaftlich, Straßen auf voller Länge aus „de-icing concrete“ herzustellen. Laut Tuan ist sein enteisender Beton aber ideal für Brücken, die im Winter besonders anfällig für Schnee und Eis sind.

Tests der US-Luftfahrtbehörde

Neben dem Einsatz auf Brücken zeichnet sich noch ein anderes Einsatzgebiet für den beheizten Beton aus Nebraska ab: Noch bis zum Frühjahr 2016 testet die US-Luftfahrtbehörde FAA den Spezialbeton auf einem großen Flughafen. Den Luftfahrt-Experten geht es dabei weniger darum, die Start- und Landebahnen eisfrei zu halten. Viel wichtiger seien die Bereiche rund um die Parkpositionen der Flugzeuge, wo Gepäckwagen und Lastwagen mit Essen und Abfällen be- und entladen werden, berichtet Professor Tuan von den Gesprächen mit der FAA: „Sie sagten, wenn wir diese Bereiche heizen können, hätten wir viel weniger wetterbedingt Verspätungen. Wir sind sehr optimistisch.“

 

Fotos: Scott Schrage, University Communications, University of Nebraska (oben); Chris Tuan and Lim Nguyen (Mitte)