Wer sich mit einem Buch aus der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, kurz SLUB, in die Sonne setzen möchte, kann dies seit wenigen Wochen auf dem „SLUB-Lounger“ tun. Dieses schöne Außenmöbel wurde von Studierenden der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Dresdner Design-Firma Paulsberg aus Textilbeton hergestellt. Miriam Elgner hat sich das für uns etwas genauer angesehen.
Textilbeton hat eine lange Geschichte, die bereits 1994 begann. Am Institut für Massivbau der TU Dresden wird seit 1999 im Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft weiter an diesem Beton geforscht. Seit etwa sechs Jahren besteht außerdem eine Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Textilbeton.
Vorteile von Textilbeton
Das Besondere an diesem Beton ist, dass die so genannte Bewehrung nicht aus Stahl sondern aus Hochleistungsfasern wie Carbon- oder alkaliresistentem Glas besteht. Diese hochtragfähigen Bewehrungsmaterialien werden zu flächigen netzartigen Textilien verarbeitet und können anschließend als Betonbewehrung die vorhandenen Zugspannungen aufnehmen. Der besondere Vorteil besteht darin, dass diese Bewehrungstextilien korrosionsunempfindlich sind und nicht wie Stahl vor der Außenluft durch eine ausreichende Betonüberdeckung geschützt werden müssen.
In zugbeanspruchten Bauteilen und Bauteilbereichen, in denen der Beton nicht zum Lastabtrag benötigt wird, kann man mit dieser neuartigen Bewehrung deutlich an Material und Gewicht einsparen. Dies ermöglicht das Herstellen von sehr schlanken Betonelementen mit bis zu wenigen Millimetern Stärke, ohne Tragfähigkeit oder Festigkeit zu verlieren. Durch die hieraus resultierende Einsparung von Rohstoffen wird der CO2-Ausstoß erheblich vermindert. Zudem können durch die Anwendung von Textilbeton zur Verstärkung einzelner Bauteile im Bestandsbau vom Abriss bedrohte Gebäude weiter genutzt und Ressourcen eingespart werden. Mit Hilfe der so erreichbaren Energie- und Materialeinsparungen wird folglich ein großer ökologischer Beitrag geleistet.
Herstellung von Textilbeton
Um die textile Bewehrung möglichst gut mit der Betonmatrix zu verbinden, müssen spezielle Feinbetone verwendet werden. Je nach Verwendung und Einsatz gibt es für textilbewehrten Beton verschiedene Herstellungsmethoden. Die gebräuchlichste Herstellmethode ist das Sprüh- bzw. Spritzverfahren. Hierbei wird der Feinbeton ähnlich dem Aufbringen von Putzen lagenweise abwechselnd mit der textilen Bewehrung auf die Beton- oder Schalungsoberfläche gesprüht. Den Abschluss bildet eine Schicht aus Feinbeton. Die Textilbetonbauteile und Verstärkungen können dadurch einen hohen Bewehrungsgrad erhalten und sowohl horizontal als auch vertikal hergestellt werden. In Folge der Flexibilität der textilen Bewehrung ist somit das Herstellen von freien Formen und Krümmungen problemlos möglich. Weitere Herstellverfahren sind zudem das Laminieren, das Schleudern und das Gießen.
Beim Laminieren werden die textile Bewehrung und der Feinbeton, analog zum Spritzverfahren, lagenweise mit einer Glättkelle auf das Bauteil oder auf die Schalung aufgebracht und anschließend eingearbeitet. Das Schleudern ist zur Herstellung von Rohren, Masten und Pfählen geeignet. Der Beton wird hierbei durch schnelles Rotieren um die Längsachse in der Schalung verdichtet. Durch Unterbrechung des Rotationsvorganges werden die Textilteile sehr gleichmäßig eingelegt. Jedoch dauert dieser Prozess sehr lange. Beim Gießverfahren werden die Textillagen in einer Form platziert. Anschließend wird der Fließbeton in die Form gefüllt. Um die Bewehrung an den bestimmten Stellen zu fixieren, können Abstandhalter zwischen den Textilien und der jeweiligen Schalung bzw. Form oder den Textillagen eingebaut werden. Diese Textilbetonabstandhalter wurden in Kooperation mit DistTex von der TU Dresden speziell entwickelt.
Anwendungsgebiete von Textilbeton
Textilbetonbauteile bieten die Möglichkeit architektonisch hochwertige Sichtbetonflächen mit flexibler Formgebung zu gestalten. Aufgrund der dünnen Materialstärke kann Textilbeton sowohl bei der Herstellung neuer Betonbauteile, als auch bei der Instandsetzung und Verstärkung bestehender Bauwerke angewendet werden. Nach umfangreichen theoretischen und experimentellen Forschungen zum Tragverhalten und dem Einsatz von Textilbeton im Rahmen von zwei Sonderforschungsbereichen 528 (TU Dresden) und 532 (RWTH Aachen) hat der innovative Verbundbaustoff seine Praxistauglichkeit inzwischen bei zahlreichen Bauvorhaben nachgewiesen. Neben verschiedenen Projekten zur Verstärkung bestehender Bauwerke ist hierzu beispielhaft die Nutzung von Textilbeton für Fassadenplatten aber auch für Brücken zu nennen.
Die weltweit erste Textilbeton-Fertigteilbrücke wurde an der TU Dresden gefertigt und wird bereits seit 2006 in Oschatz genutzt. Die Längste kann man in Kempten begehen. Mittlerweile gibt es eine dritte Textilbetonbrücke, welche in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen in Albstadt gebaut wurde.
Aber auch im Möbelbau hat sich Textilbeton schon bewährt. Die Firma Paulsberg arbeitet mit dem Institut für Massivbau der TU Dresden zusammen und entwirft edle Möbel aus dem dünnen Beton. Wer sich einmal selber ein Bild machen möchte, nimmt Platz auf einem der SLUB-Lounger vor der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden.