Schräge Raumstützen und Kassettendecken – hergestellt mit selbstverdichtendem Beton (Foto: ErS)

Für ihn ist keine Fläche zu schräg: Selbstverdichtender Beton. Am Anfang sollte er vor allem den Einbau von Beton erleichtern, da die Arbeit des Verdichtens wegfällt. Heute stehen neben den Einbauvorteilen seine Eigenschaften im Mittelpunkt, die anknüpfen, wo herkömmlicher Beton an seine Grenzen stößt: bei der Gestaltung besonders anspruchsvoller Bauteile.

Musterbeispiel „Phaeno“

Das Phaeno Science-Center in Wolfsburg ist eines der größten Bauwerke in Europa, das mit selbstverdichtendem Beton realisiert wurde. Architektin Zaha Hadid entwarf den komplexen Bau, der wie ein Raumschiff anmutet. Das elegant gestreckte, aufgeständerte Gebäude wird von zehn individuell geformten  Raumstützen, den so genannten „Cones“, getragen. Eine Herausforderung für die ausführenden Bauunternehmen waren die anspruchsvollen Schalungsformen und schräge Flächen mit Neigungen bis zu 40 Grad. Die von unten sichtbaren Flächen der Kassettendecken und die Raumstützen hatte die Architektin zudem in Sichtbetonqualität von einheitlichem Farbton geplant.

In den schmalen und gekrümmten Schalungen war an den Einsatz von herkömmlichen Rüttelgeräten nicht zu denken. Mit Hilfe von selbstverdichtendem Beton konnten die aussergewöhnlichen Architekturideen der Londoner Architektin trotzdem realisiert werden. Der Aufwand hat sich gelohnt: Scheinbar schwebende Riegel überraschen nun die Phaeno-Besucher mit weichen Rundungen, Höhlen und Kammern, die ihresgleichen suchen.

Wie funktioniert selbstverdichtender Beton?

Nach dem Einbringen in die Schalung fließt und entlüftet sich der selbstverdichtender Beton aufgrund seines Eigengewichts quasi von selbst – das manuelle Verdichten ist nicht mehr erforderlich. Hinter dieser besonderen Eigenschaft steht ein Fließmittel auf Basis von Polycarbonat (Polycarboxylat-Ethern). Zusammen mit Mehlkorn, Anmachwasser entsteht dann der selbstverdichtende Beton. Er weist gegenüber traditionellem Rüttelbeton einen höheren Mehlkornanteil und einen geringeren Gesteinskörnungsanteil auf, so dass das Fliessen nicht behindert wird. Die Gesteinskörnung schwimmt im Beton.
Für die Funktionstüchtigkeit von selbstverdichtendem Beton sind in der Praxis zwei Faktoren entscheidend: Fliess- und Zusammenhaltevermögen. Sie lassen sich durch Wasser, Fliessmittel und Feinststoffe beeinflussen. Selbstverdichtender Beton reagiert dabei sensibel auf jede Veränderung, z. B.  Temperatur oder Zusammensetzung. Im Übrigen hat er die gleichen Eigenschaften wie herkömmlicher Beton.

Vorteile für Architekten

Der Einsatz von selbstverdichtendem Beton hat wirtschaftliche Vorzüge, da das Verdichten als Arbeitsschritt im Bauprozess entfällt, so dass sich die Bauzeit verkürzt. Die Sichbetoneigenschaften (einheitliche, glatte Oberflächen) sind ein weiteres Plus für beton-verliebte Entwerfer. Vor allem aber lassen sich mit selbstverdichtendem Bauteile gestalten, die man aufgrund ihrer Form oder Position im Gebäude nicht in traditioneller Weise verdichten kann.

Weitere Informationen zum Thema „Selbstverdichtender Beton“ gibt es auf beton.org.