Wir veröffentlichen regelmäßig das „Foto am Freitag“. Es geht um das Besondere des Betons und es geht um das besondere Foto. Ein Bild kann eine Stimmung einfangen, den Moment festhalten, bewahren und vermitteln. Bilder können erzählen. Die Fotografin Silke Schmidt aus Hamburg hat sich bei uns gemeldet – angeregt durch ein „Foto am Freitag“. Gemeinsam mit Johanna Ahlert ist es ihr gelungen, ganz besondere Stimmungen einzufangen und Geschichten zu Beton zu erzählen. Zum Beispiel über einen alten Bunker. Wir sprachen mit ihr:
Ihr habt als Fotografie-Studentinnen den Bunker Valentin fotografiert. Was ist der Hintergrund für diese Arbeit?
Die Arbeit ist eine Serie von 2005/2006. An der Hochschule für Künste in Bremen muss man sich im Laufe des Studiums ein eigenes freies Thema suchen, welches einen ganz persönlich interessiert und womit man sich auseinandersetzen möchte. Im Rahmen dieses Projektes haben Johanna Ahlert und ich die Serie gemeinsam entwickelt. Der Bunker Valentin befindet sich in Bremen Nord – schon ziemlich außerhalb von Bremen. Viele, die in Bremen leben, kennen den Bunker überhaupt nicht. Er liegt sehr versteckt, aber eben direkt an der Weser. Johanna und ich – wir kannten den Bunker auch nur vom Hörensagen. Dann wurde in dem Bunker ein Theaterstück aufgeführt, das hieß „Die letzten Tage der Menschheit“ und über das Theaterstück wurde uns der Bunker näher bekannt, so dass unser Interesse geweckt wurde. Dann haben wir uns gedacht, dass wir uns gern mit dem Ort und mit seiner Geschichte auseinandersetzen möchten.
Ihr wart also von dem Ort und seiner besonderen Atmosphäre fasziniert und habt dann beim Fotografieren und den Recherchen dazu die Hintergründe dazu entdeckt?
Genau. Erst durch die Fotografie sind wir dazu gekommen, uns mit der Geschichte des Ortes auseinanderzusetzen. Wir mussten uns da erst einmal ranzutasten – eben über die Fotografie. Ansonsten wäre diese vermutlich auch gar nicht so in dieser Form entstanden.
Wie ist die Geschichte des Bunkers?
Der Bunker Valentin ist eines der größten baulichen Relikte des Nationalsozialismus. Er ist ein U-Boot-Bunker. Allerdings ist er nie in Nutzung genommen worden. Geplant war, dass vom Bunker aus U-Boote in die Weser fahren. Im Bunker befindet sich daher zunächst einmal ein sehr großer Raum. Dann gibt es überall diese großen Wasserbecken. Die Dimensionen allein sind beeindruckend. Der Bunker hat einen Durchmesser von 50 Metern und eine Höhe von 15 Metern. Die Wände sind mehr als sieben Meter dick – dass muss man sich mal vorstellen!
Wie lief dann die Projektarbeit?
Zunächst mal war es damals sehr schwierig, überhaupt einen Zugang zu dem Gelände zu bekommen. Es gehörte zu einem Truppenübungsplatz und war noch in militärischer Hand. Nur weil über das Theaterstück „Die letzten Tage der Menschheit“ eine Versicherung abgeschlossen worden war konnten wir überhaupt in den Bunker hineingehen. Dafür war es auch nötig, dass wir das Projekt zu zweit gemacht haben. Alleine hätten wir uns nicht auf dem Gelände bewegen dürfen. Dazu kommt, dass wir die Fotos mit einer Großformatkamera gemacht haben, was einfach viel aufwändiger ist. Insgesamt waren wir über einige Monate dort, um all das viele Bildmaterial zu machen. Wir haben unglaublich viel aussortiert, was später nicht in der Fotoserie verwendet wurde. Bei der Bildauswahl haben wir uns viel häufiger für die Innenaufnahmen entschieden, weil deren Ausdruck einfach viel stärker ist, als bei den Außenaufnahmen. Bei der ganzen Serie ist es so, dass wir das komplette Gelände mit allen markanten Orten fotografiert haben.
Eure Bilder zeigen den Bunker in einer geradezu sakralen Form. Woran liegt das?
Das ist genau ein Teil der Diskussionen zu der ganzen Serie. Oft wird gesagt, dass die Bilder so sakral-ästhetisch seien. Wir haben auch ganz viel des fotografierten Materials nicht verwendet, weil wir nicht wollten, dass die Ästhetik übermäßig im Vordergrund steht. Es ist natürlich so, dass man vor Ort, in dem Bunker, ganz ambivalente Empfindungen hat. Einerseits wirkt es „schön“ und „sakral“ – vor allem, wie das Licht einfällt. Das hat beinahe etwas Meditatives. Andererseits wirkt alles auch ziemlich bedrohlich, so dass wir immer wieder froh gewesen sind, wenn wir wieder draußen am Tageslicht waren. Es gibt da im Bunker völlig unterschiedliche Stimmungen. Für die Fotoserie haben wir uns dann entschieden, immer bei möglichst neutralem, etwas diffusem Licht zu arbeiten. Wir finden, dass das auch besser zur Serie, vor allem im Zusammenhang mit den Außenaufnahmen, passt. Die Entscheidung über das Licht war insofern wesentlich, als dass wir nichts zusätzlich verschönern wollten, sondern zeigen, wie es dort heute aussieht. Mit strahlendem Sonnenschein wäre das nicht so gelungen.
Ihr sprecht vom Kontrast der Ästhetik der glatten Flächen des Betons, der Gigantomanie des Bunkers mit den Spuren der Vergänglichkeit. Ist Vergänglichkeit in dem Kontext nicht etwas Tröstliches, auch wenn der Beton es der Vergänglichkeit nicht leicht macht?
Für uns hatte es etwas Erleichterndes, wenn man sieht, wie der Bunker inzwischen von außen zuwächst und man merkt, dass Dinge eben auch vergänglich sind. Das Dach des Bunkers zum Beispiel ist inzwischen schon richtig bewachsen. Da entwickelt sich oben auf dem Bunker eine eigene neue Landschaft.
Wie ist die Diskussion im universitären Rahmen gelaufen? Vor allem was die Konfrontation von Bildästhetik mit den historischen Hintergründen des Ortes betrifft?
Wir Teilnehmer an dem Fotokurs haben ja alle die Geschichte des 2. Weltkrieges nicht selbst miterlebt so dass wir alle eine ganz andere Perspektive haben, als Menschen, die das damals mitgemacht haben. Aber die Hintergründe spielten schon eine entscheidende Rolle; auch um die eine adäquate fotografische Umsetzung zu finden, also die Frage, bei welchem Licht sollte fotografiert werden, was passt letztlich als Serie zusammen. Welche Bilder funktionieren eben nicht und müssen aussortiert werden. Gerade für die Auswahl haben wir viel im Kurs gemeinsam und mit dem Professor gemacht.
Vermutlich habt Ihr tagelang im Bunker gearbeitet? Wie fühlt man sich, wenn man von soviel altem Beton umgeben ist?
Man fühlt sich sehr, sehr verloren, sehr klein. Vielleicht auch, weil das ganze Gebäude ja sehr massiv ist. Dadurch, dass wir im Herbst und teilweise im Winter fotografiert haben, war es unheimlich kalt. Die Geräuschkulisse war beeindruckend. Es gab da unheimlich viele Vögel, die da durchgeflogen sind. Das hatte alles etwas Bedrohliches und Unangenehmes. Und trotzdem gibt es eine enorme Faszination, wenn das Licht durch ganz bestimmte Stellen einfällt und dann die ganze Szenerie wieder so ästhetisch und sakral wirkt.
Wie sind die Reaktionen auf Eure Fotografien?
Gerade bei manchen älteren Menschen, die den Krieg mitgemacht haben, stoßen unser Bilder auch an. Da gibt es dann die Meinung, solche Bilder könne man nicht zeigen, das sei einfach zu schön. Für uns als junge Fotografinnen ist es natürlich so, dass wir diese Zeit nicht mitgemacht haben. Wir versuchen aber, den Ort und seinen Zustand möglichst reduziert zu zeigen.
Ist es nicht so, dass eure Fotos überhaupt erst auf einen historischen Ort und seine Geschichte aufmerksam machen?
Genau. Es ist Absicht der Serie, zu zeigen, wie wir heute mit den Spuren der Vergangenheit umgehen. Wir haben das Projekt auch gemacht, weil sich die Frage des Umgangs mit dem Bunker in Zukunft stellte. Inzwischen hat sich entschieden, dass der Bunker als Gedenkstätte eingerichtet wird. Wir haben die Serie auch gemacht, um einen Anreiz zu geben, sich verantwortungsbewusst mit der Geschichte auseinanderzusetzen, damit diese eben nicht in Vergessenheit gerät.
Hat Eure Fotoserie dazu beigetragen, diese Diskussion zu befördern?
Ja. Tatsächlich. Die Serie wurde mit gefördert durch die Landeszentrale für Politische Bildung so dass es eine Ausstellung über den Bunker Valentin in der unteren Rathaushalle in Bremen gab. In dem Zusammenhang konnten wir auch die Fotoserie ausstellen. Und diese Ausstellung ist inzwischen eine Dauerausstellung im Bunker Valentin geworden. Der ist jetzt frei zugänglich und man kann sich für Ausstellungen und Veranstaltung anmelden. Und die Fotos werden zum Teil für Plakate und Flyer benutzt um den Ort und seine Geschichte bekannt zu machen.
Spielt Material eine Rolle bei Deinen fotografischen Arbeiten? Oder wie beginnst Du ein Foto-Projekt?
Am Anfang steht immer ein spezieller Reiz. Ein Ort, wo nicht jeder hinkommt, der nicht leicht zugänglich ist, kann so etwas sein. Schon das schafft einen Reiz, sich zu bemühen, überhaupt Zugang zu bekommen. Mindestens die Hälfte der Arbeit macht es am Anfang aus, überhaupt die nötigen Kontakte zu bekommen, auf das Gelände zu gehen, mehr über die Geschichte zu erfahren. Aber gerade beim Bunker war auch das Material ein besonderer Reiz. Und da wir noch nie vorher drinnen waren, hatte das Ganze auch etwas Geheimnisvolles.
Inwieweit spielt Architektur bei Deinen anderen Projekten eine Rolle?
Ich habe zuletzt etwas über moderne Architektur gemacht. Eine Fotoserie über neue Architektur in der Schweiz. Vordergründig ging es mir dabei darum, zu untersuchen, wie das Material im Zusammenhang mit der Landschaft wirkt. Wenn Architekten etwas bauen, beginnt es oft damit, dass sie sich den Ort erstmal ansehen und dann im Entwurf klären, was dort gut hinpasst und sich vielleicht in die Landschaft integriert. Um genau dieses Zusammenspiel ging es mir bei diesem Projekt.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Informationen zu Silke Schmidt und zur Fotoserie zum Bunker Valentin gibt es auf photo-blick.de.